space available : City-Space (for me)

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Space Available

Ich fotografiere, forsche. Fotografiere, baue. Fotografiere und schneide, klebe, sammle meine Fotos von der realen Welt, vor allem von den Staedten, in denen ich mich bewege und demgegenueber den kleinen Raeumen, Apartments, in denen ich mich aufhalte. Ich vergroessere diese Bilder immer selbst, um mir ,"meine" Farben zu bauen: das perfekte Blau oder das richtige Gruen zu mischen.
Ich montiere diese Bilder neu, um meiner Idee von Stadtraum und menschlichen Beduerfnissen, die dieser Enge des Raumes gegenueberstehen, Ausdruck zu verleihen. Aus meinen Fotografien baue ich Modelle von Staedten und der Idee von offenem Raum. Und verwende sie als Vorlagen fuer weitere Fotografien. Ich versuche, ganz persoenliche Fotos zu machen, die Allgemeingueltigkeit besitzen oder nachgefuehlt werden konnen; einen Gedankenprozess ausloesen mehr vielleicht, als eine konkrete Loesung anzubieten. Bilder in Staedten ueber Staedte und die Lebensbedingungen, den Platz, den Freiraum, das Ausmass an Privatraum im Verhaeltnis zu oeffentlichem Raum. Deshalb suche ich mir grosse Staedte, enge Staedte als Arbeitsfeld. Es gibt Loecher: Baustellen, Pools; Haeuser; Strassen und den Menschen. Die Stadt mit all ihren vertikalen Linien und steinernen Begrenzungen wird zu meiner Projektionsflaeche: Dort stellt sich die Frage vehementer, was Raum bedeutet, wie viel Raum ein Mensch braucht. Ich entwerfe neue Bilder, die in den Stadtraum eingreifen. Visionaere Vorschlaege zur Umgestaltung des urbanen Raumes. Gordon Matta-Clark via Fotografie.
Fotografie gibt mir die Moeglichkeit, mit der Welt umzugehen: Die Realitaet aufzuzeichnen, sie neu zu entwerfen, mit ihr zu spielen und mich, mit meinem Koerper, meinen Ideen, der Lust auf Freiheit und auch meinen Gefuehlen vom Verlorensein in Stadten in ein Bild zu bringen. Diese dauernde Enge, diese festen Raeume aufzubrechen. So ist mein Projekt: ich moechte versuchen, innerhalb dieses Themenbereiches noch weiterzugehen. Grosse dreidimensionale Modelle, bzw. Skulpturen aus meinen Fotografien zu bauen. Eine Stadt zum Betreten aus meinen Bildem von Staedten und den Bildem aus meiner Privat-Sphaere, meinen eigenen Raeumen und meiner persoenlichen Sicht zu bauen.
Susa Templin
New York, Januar 2001

City-Vocabulary (Building, Street, Car, Sky, Water, Body)

Ich weiss natuerlich nicht, was Sie sehen, wenn Sie die Arbeiten von Susa Templin betrachten. Ich finde jedenfalls zunaechst nur Dinge in den Bildern, mit denen ich vertraut bin: Haeuser, Strassen, Autos, Himmel, Wasser und Koerper. Die Dinge lassen sich leicht identifizieren. Haeuser und Strassen, die eine Stadt bilden, Autos, die geparkt sind, und ein menschlicher Fuss mit fuenf Zehen. Es ist mein Koerper, der, noch bevor ich mir einen Ueberblick darueber verschafft habe, wie diese Bilder aufgebaut sind, staerker als sonst in mein Betrachten verstrickt ist. Er hat etwas bemerkt, hat reagiert, bevor ich verstanden habe, was los ist. Etwas in diesen Bildern ist auf einen koerperlichen Nachvollzug angelegt, der kaum in ein Sprechen uebergehen koennte. Bevor ich weiss warum, veraendern diese Bilder meine Selbstwahrnehmung in einem ganz koerperlichen Sinn. Ich sehe das Bild an und spuere meinen Korper. Warum?
Ich kann sehen, dass es sich bei einigen Bildern um Montagen handelt, und das ist nicht welter schwierig, denn die Kuenstlerin gibt sich keine Muehe, den Prozess und die technischen Mittel des Montierens zu verbergen. Im Gegenteil: Die Schnitte, Klebestellen, die fixierenden Reissnaegel sind sichtbar, werfen Schatten und erscheinen auf diese Weise zum Anfassen real. Es entsteht eine suggestive Raeumlichkeit, deren tastsinnliche Erfahrung allerdings immer hinter dem zurueckbleiben wurde, was sie unseren Augen verspricht. Zu glauben, dass man das Material anfassen und anheben kann, aus dem die Bilder komponiert sind, ist ein erster Impuls, den die Bilder wecken. Zu sehen, dass ich sie nicht anfassen kann, verwandelt diesen Impuls in etwas, das wie eine Resonanz in meinem Koerper stecken bleibt. Aber dabei bleibt es nicht: Gerade weil die Montagetechnik des Bildes so leicht zu identifizieren ist, affiziert es mich auf eine spezifische Weise, die nichts mit einer raffinierten Taeuschung zu tun hat, die meine Wahrnehmungsautomatismen ausbeutet. Der weisse Rand, der das ueber dem Parkplatz implantierte Bild des badenden Koerpers umgibt ("Space available"), markiert es nicht nur als Implantat, sondern traegt etwas zur Mehrdeutigkeit des Bildes als ganzem bei, denn er kann den Saum eines zwischen zwei Haeusern aufgespannten Segels oder einen ebenso moeglichen Himmel darstellen. Die Montage spielt mit den Interpretationen, die unsere visuellen Routinen hervorbringen, aber sie macht sich diese Routinen des Sehens nicht einfach zu nutze (um uns zu foppen), sondern fordert zum spielerischen Sehen auf, gerade weil die Fuegungen markiert sind.
Es geht nicht um raffinierte oder effektive Taeuschung, es geht um das Eintreten in ein Spiel, dessen Mittel uns offen gezeigt werden. Klar ist aber auch: Dieses Spiel ist kein bloss formales, es lebt vielmehr von der Aktualisierung materialer Erfahrungen. Denn wir koennen einen Korper, der dem unserem hinreichend aehnlich ist, nicht sehen, ohne zu fuehlen, wie es ist, den dargestellten Koerper zu haben oder in ihm zu stecken. Die Bilder des Badens kann man kaum sehen, ohne (erneut) zu wissen - koerperlich zu imaginieren --wie es ist, im Wasser zu schweben. Und ist nicht gerade Wasser das Medium par-excellence, das es uns erlaubt, unseren ganzen Koerper zu fuehlen, wenn wir darin eintauchen, schwimmen oder baden?
Die eigentuemliche koerperliche Konkretheit dieser Imaginationen gewinnt jedoch dadurch noch an Eindruecklichkeit, dass sie sich mit in den starren architektonischen Strukturen der Stadt verbinden und so im Kontrast zu der Erfahrung stehen, sich vielleicht nirgendwo mehr als in der Stadt selbst tragen zu muessen. Einer Stadt, deren Zustand fast mit einer ethnographischen Distanz gezeigt wird. Zugleich ist es aber die Stadt, in der Susa Templin die Orte und Raeume gefunden hat, die sich gestalten, einfach umgestalten liessen. Was wir an diesen Orten sehen koennen, ist in der Welt, in der wir leben, praktisch unmoeglich, aber zugleich verdankt es seine Identitaet dem Spiel mit den visuellen Routinen, mit denen wir uns in der Welt zurechtfinden. Die visuelle Vieldeutigkeit laesst uns etwas spueren, das in uns steckt, und sich in den Bildern tagtraumartig ausspricht. Die Kombination von Alltagserfahrungen mit etwas, was sonst nur im Traum oder Rausch zusammenfindet, und die spielerische Irritation unserer orientierenden visuellen Routinen schaerft das propriozeptive Bewusstsein der Betrachtenden, als projektive Wesen, die Wuensche und Aengste an Dinge und Situationen heften. So kommt es, dass Susa Templin mit Hilfe eines Vokabulars, dem sie idiosynkratische, aber produktive Beschraenkungen auferlegt hat, etwas zu artikulieren vermag, das die Subjektivitaet der Idiosynkrasie hinter sich laesst und uns Moeglichkeiten eroeffnet, uns als die projektiven Wesen zu spueren, die wir sind.
Matthias Vogel
Institut fur Philosophie Goethe-Universitat Frankfurt

Exhibition Text for "New York, New York" in cooperation with the Museum für Moderne Kunst, Frankfurt, 2000